Montag, 24. Mai 2010

spontane Entscheidungen

Was will ich studieren? Wo leben? Wohin abends ausgehen? Welche Pflanze aus dem Baumarkt "retten"?

Meine Entscheidungen sind für gewöhnlich gut überdachte, völlig über-dachte Urteile, die vor allem auf dem basieren, was man Verstand nennen könnte - wäre das nicht zufällig der gleiche Teil von mir, der in berauschten Zuständen gerne Panikattacken bekommt. Und zwar á la "Oh Gott, die werden demnächst die Mauer wieder aufbauen und dann steh' ich auf der falschen Seite" (gestern) bis zu "Der Golfstrom ist stehengeblieben, hoffentlich hat einer meiner Nachbarn Tennisschläger im Keller als Schneeschuhe" (während der Eiseskältewelle vor eineinhalb Jahren).

Informationen sind für gewöhnlich die Impulse, die mich von einer Entscheidung zur nächsten treiben und vorher das Denken, Grübeln, Paniken anwerfen. Für gewöhnlich.

Allerdings geschieht seit Kurzem eben Ungewöhnliches. Bauchentscheidungen. Gefühlsausbrüche. Kopfloses Glücklichsein und verkopftes Unglücklichsein im Wechsel. Und mittendrin höre ich mich plötzlich in einem Gespräch etwas sagen, dass ich bisher nicht einmal gedacht habe. In einem Gespräch, das sich ausschließlich um meine ach so wichtige und - nach zumindest bisher geäußertem Wunsch, vor allem auch meiner Eltern - hoffentlich ach so erfolgreiche Zukunft drehen soll. In diesem Gespräch sage ich: "Nein, ich will nicht sofort anfangen. Ich will um die Welt reisen."

Will ich das? Weiß mein Verstand davon? Hat mein Gehirn davon gehört? Ist die Welt nicht dieser überbevölkerte Schuppen, in dem ich praktisch kein Schwein kenne? Kann einem da nicht alles geklaut werden, während man in einem Busch gezogen und gegessen wird, bei voller Verstopfung und mit Malaria infiziert? Was macht mein Leben ohne mich, während ich Urlaub davon mache? Wie wird es mich empfangen, wenn ich zurückkomme? Werde ich nicht bei einwöchigen Pauschalreisen schon nach drei Tagen mental gewalttätig und spreche sicherheitshalber mit niemandem mehr, bis ich endlich wieder einen Strammen Max auf Schwarzbrot hatte, obwohl ich Schwarzbrot sonst zum Kotzen finde? Ist das hier eine Flucht? Wenn es eine ist: Ist sie nicht der letztendgültige Beweis meines ständigen Scheiterns?

Mein sogenannter Verstand ist also seit diesem Gespräch, das Wochen zurückliegt, in Hochform. Nur kommt er, und keiner - zuletzt er - weiß, warum, nicht gegen meinen Bauch an. Den kann ich mir behaglich reiben, während ich mir vorstelle, wohin ich will. Warm wird es mir dabei. Der Verstand plärrt zwar weiter wie eine eifersüchtige Ehefrau, aber mein warmer Bauch schweigt, ganz ruhig. Auch, wenn mich plötzlich Adrenalin bei der tatsächlichen Planung fragt: "Bist du bescheuert?" Mein Bauch findet: "So ist es, das Leben." Das sagt er mir nicht. Das weiß ich. Ohne drüber nachzudenken.

Es wird Zeit, dass sich der Rest von mir auf meinen Bauch eingrooved. Findet wohl auch STA-Travel und hat meinem Verstand das hier eingeschänkt (oder eingeschenkt?): den Long Iceland Ice Tea. Der versetzt meinen Kopf in Rausch-Rationalität. Und die ist eh nie ernstzunehmen. Findet mein Bauch.

Sonntag, 16. Mai 2010

Again what learned (2)

Ein aktives Wochenende ganz ohne meine sonstige Lieblingsbeschäftigung - faul rumliegen und zur körperlichen Ertüchtigung maximal kauen - kann einem die Augen öffnen:

1. Aktivität ist Bewegung ist Aua. Mein rechter Arm ist noch schlaffer als mein Körper im Durchschnitt - er lässt sich und uns gerne Mal hängen. Schmerzhaft wegknickende Arme sind zwar etwa beim Transport der überreichlichen Supermarkt-Beute lästig, aber zugleich Ausblick in eine schönere Zukunft: Sehnenscheidenentzündung? Arbeitsverbot? Aktivität ist Bewegung ist Aua ist schön!

2. Masochismus kann noch ganz andere Blüten tragen. Zum Beispiel kann man ja ganz vorwitzig gemeinsam mit jener Stiefelfrau zu Mittag essen, die ihr geliebter Freund einfach mal alleine in die Küche gejagt hat. Um dabei die Erkenntnis zu gewinnen: Situationen, vor denen man sich lange fürchtet, sind weit weniger schlimm, als es die Furcht davor war. Kommt dann auch noch eine aberwitzige Abwandlung des Hund-Herrchen-Prinzips - beide sehen sich, je mehr Zeit sie miteinander verbringen, zunehmend ähnlich - ins Spiel, kann es zu spontanem Grinsen und unkontrolliertem Hochgefühl kommen. Großwetterlage Frohsinn, stellenweise spitzt ein wenig "Mann, bin ich eine geile Sau - und so nett!" durch die Wolkenschicht.

3. Vergiss vor lauter Hochgefühl und -mut niemals, nieeemals die Kinder deiner Mitmenschen! Ob man noch schneller im Ansehen eines Mitbewohners sinken kann als mit einer hübsch formulierten Zimmer-Anzeige im Internet, die leider den WG-Dreijährigen ausspart, ist noch unerforscht. Nachdenklich sollte stimmen, wenn sich so ein Dreijähriger gar nicht mal so unkompliziert nachträglich in den Anzeigentext einbauen lässt: Wir (außer Valentin) sind berufstätig und jederzeit (natürlich auch außer Valentin) für ein Bier zu haben?

Bleiben nach einem erfüllten Wochenende folgende Fragen offen: Wie beruhigt man einen gekränkten Vater, der nie zugeben würde, gekränkt zu sein? Was spritzt man sich in welche Hautfalte, damit nach drei Stunden "Avatar" der Abdruck einer 3D-Brille für immer verschwindet? Wie öffnet man so eine Brillenverpackung überhaupt, ohne von der neuen Geißel des Kinobesuchs heimgesucht zu werden? (Auf das traditionelle "Hilfe, ich sitze hinter dem größten Mann im Kino, und er hat sich die Drahtwolle auf seinem Kopf toupiert!" folgt in der neuen Zeitrechnung "Scheiße, auf meiner 3D-Brille ist ein Fingerabdruck, ein ganz großer. Mist, und wenn ich ihn mit dem Ärmel abwi... toll, jetzt ist er noch größer. Und verschmiert. Ganz toll.") Und: Wie stoppt man die unweigerliche eigene Arroganter-Werdung, wenn einem das Leben gar keine andere Wahl mehr lässt als sich aus Notwehr selber großartig zu finden?

Samstag, 15. Mai 2010

Ärger in Absurdistan

Keine Ahnung, wann genau das passiert ist, aber: Ich ärgere mich nicht mehr. Gut, wer mich jeden Tag bei der Arbeit erlebt wird das nicht glauben, weil ich da schon aus alter Gewohnheit noch schnaufe wie ein Ackergaul und hin und wieder empört keife. Aber irgendwie fühle ich keinen Ärger mehr. Dafür ist das hier auch alles viel zu absurd - und absurd bringt mich neuerdings zum Strahlen.

Gerade zum Beispiel gastiert die Stiefelfrau zwei Zimmer weiter. Sie ist es, ich habe die Stiefel erkannt - sie ist die Ex-und-jetzt-wieder-Freundin meines Mitbewohners, und mich würde es nicht mal jucken, wie die beiden da hinten gerade Kinder zeugen. Dafür habe ich auch viel zu sehr darüber gelacht, dass er mit dem Satz "Ich bin wieder mit meiner Ex-Freundin zusammen" um die Ecke bog, als er endlich auch mitgekriegt hat, dass ich für ihn nicht zu haben bin.

Das war, als ich gerade mein Leid über einen anderen Mann klagte. Einen, den ich nicht haben will oder gar kann, aber dessen Komplimente und Freundlichkeiten mir den Tag versüßt haben. So lange, bis es kaum noch Abstände dazwischen gab. Und ehrlich: Kein Mann ist einfallsreich und interessant genug, als das seine Komplimente nicht irgendwann den Reiz verlieren. Spätestens, wenn man sie praktisch 24 Stunden am Tag serviert bekommt. Inzwischen: Ein Grund zum Lachen.

Wie auch diese ganzen merkwürdigen Tage, die mit Sitzungen bei Professoren beginnen, mit dem Austausch von Unfreundlichkeiten unter Freundinnen weitergehen und in einem Abend bei Howard Carpendale oder gar Florian Silbereisen gipfeln. Bei Howard Carpendale habe ich mitgesungen! Bei Florian Silbereisen fassunglos erstarrt zwischen 4000 Rentnern gesessen und sein antrainiertes Grinsen bewundert!

Bin ich jetzt einfach total ausgeglichen - oder muss ich mir erst Recht Sorgen um mein Gemüt machen?