Sonntag, 31. Januar 2010

stellvertretend für alle schwierigen Männer: Mr. Darcy

Nach einem Wochenende voller Pride & Prejudice Verfilmungen, Adaptionen und Anspielungen ist Ebbe in meinen Tränendrüsen und Wut im Bauch. Das Gefühl, im eigenen Leben falsch zu sein, weil es da keine Liebe gibt, hat mich mal wieder einen Fluchtversuch starten lassen.

Erfahrungsgemäß kommt man aber nicht aus seiner Haut, und ich komme meistens nicht einmal mehr aus dem Auto, wenn ich erst drin sitze. Das eigentliche Ziel "Spaziergang" wurde dann auch umfunktioniert zu "Rumfahren mit fakultativem anschließenden Spaziergang", wobei mein Autoradio offenbar auf der Gehaltsliste meiner Eltern steht und mich an die frische Lust scheuchen wollte - mit "You've lost that loving feeling" dicht gefolgt von "Besser gehts nicht". Schonmal während eines Heulkrampfs ganz fürchterlich gelacht? Schön ist anders.

Aber zurück zu Mr. Darcy, dem Arsch: Der hätte Elisabeth Bennett natürlich auch nicht gewollt, wenn sie unausgeglichen, grenzpsychotisch, beziehungsgeschädigt und überfordert gewesen wäre. Leider ist es aber dem ungesunden Einfluss der Realität zu verdanken, dass nicht wenige von uns so sind, heutzutage. Vom Job ausgelaugt, von der Unsicherheit gefoltert, vom Zweifel an den eigenen Entscheidungen gelähmt, von zu vielen Menschen enttäuscht. Und das Warten auf Mr. Darcy macht es auch nicht leichter!! Das Gejammer beim Warten macht natürlich das Finden nicht leichter...

Bevor das hier in meinen persönlichen Katzenjammer ausartet: in allem, was ich sage, ist noch jede Menge Katzenjammer, Katerjammer dabei. Trotzdem: Ich will DAS HIER - die Unverschämtheiten darin würde ich glatt übersehen!

Dienstag, 26. Januar 2010

ein Leben ohne Mephisto






Heute ist mein Kater gestorben. Mein kleiner, dicker, wunderschöner, herzensguter, plüschiger Kater hatte keine Lust mehr darauf, alt zu sein. Vor vielleicht zwei Stunden ist er auf dem Arm meiner Mutter eingeschlafen. Seitdem kann ich nicht aufhören zu heulen. Und anstatt einfach nur weiterzuflennen und das Gefühl zu haben, ich müsste mich dafür lächerlich kindisch fühlen, versuche ich lieber zu erklären, wie es sich mein Tiger verdient hat, betrauert zu werden wie ein Zweibeiner.

Mephisto wollte ich ihn ja gar nicht nennen, als ich ihn mit 13 endlich haben durfte. Ich wollte ihn Monster nennen. Das passte, fand ich: ein drahtiger graugetigerter Kater mit entschlossen herausforderndem Blick aus grünen Augen. Als wir ihn und seine zarte Schwester aus dem Hasenstall eines fränkischen Bauerhofs "retteten" - so kam mir das zumindest damals vor -, kletterte er schnurstracks auf mich zu, ich nahm ihn in den Arm oder vielmehr in die Hand... und schon hatte er sich freigekämpft und marschierte über den Hof. Die Geschichte lehrt uns, dass ich ihn mir selbstverständlich wieder geschnappt habe. Und zwar immer und immer wieder.

Mein Kater war eigentlich ein Mensch. Und noch eigentlicher war er ein Macho. Wie wunderschön er war auf seinen perfekten strammen Beinen, mit seiner strahlend braunen Nase, dem breiten Schädel und der präzisen Tigerzeichnung war ihm eigentlich immer bewusst. Aber er mochte seine Fans. Er leistet ihnen Gesellschaft, sobald sie mit Besteck klapperten um Menschenfutter zu essen. In späteren Jahren hatte Mephisto dafür sogar einen angestammten Platz, an dem er saß und seinen Pflichtteil einforderte. Er drückte ihnen im Vorbeigehen, wenn sie bereit waren sich zu ihm zu beugen, gerne seine breite Nase ein wenig zu fest ins Gesicht. Und manchmal, bei besonders guter Laune, blieb er auch mal über Nacht. Aber natürlich nur, wenn er sich dahin legen durfte wo ER wollte - auf die Brust oder zwischen die Beine, sein Ziel war so oder so die völlige Bewegungsunfähigkeit seiner menschlichen Matratze. Er war ein Ego-Macho aus dem Lehrbuch, und trotzdem (gerade deshalb?) mein Held.

Es gibt so viele Erlebnisse mit diesem Kater, die ich nie vergessen werde. Und da zähle ich seine endlose Geduld mit den Tränen eines von Liebeskummer geplagten Teenagers gar nicht mit. Mephisto hatte Entertainerqualitäten. Wenn er einen Luftballon jagte oder seinen eigenen Schwanz. Wenn er einen vorwitzig unter einer Bettdecke hervorspitzelnden Fuß erlegen wollte und ihn mit weit aufgerissenen Augen und vorgeklappten Ohren attackierte - oft genug inklusive vorherigem Anschleichen, wobei er immer hochkonzentriert mit dem Arsch wackelte. Wenn er, vom Besteckgeklapper geweckt, am Esstisch saß, bevor auch nur irgendein Mensch sich dort blicken ließ. Wenn er gestreichelt werden wollte und einem zu diesem Zweck mit lang ausgestreckter Pfote das Buch aus der Hand zog. Wenn er mit dem Schäferhund der Nachbarn spielen wollte. Aber eigentlich einfach immer.

Werde ich einmal vergessen, dass mein dicker Kater entsetzliche Schweißpfoten hatte und auf glatten Oberflächen manchmal sogar Tappser hinterließ? Werde ich vergessen, wie seine verzweifelten Schreiversuche als Baby, auf der Fahrt vom Bauernhof nach Hause, klangen? Wird meine Mutter mir endlich glauben, dass er mir bei meinem ersten Heimatbesuch als Studentin mitten in der Nacht auf die Bettdecke gepisst hat und sofort schuldbewusst abdampfte?

Ich hätte so gern noch einmal gesehen, wie der Fakir-Kater eine winzige Kiste oder Tasche mit diesem Blick ansieht - "Na, da pass ich aber doch rein. Das wollen wir mal sehen!" - um sich dann systematisch reinzuquetschen. Zum Glück gibt es reichlich Bilder von Mephisto auf Küchenwaagen, in Weinschränken, im Wäschetrockner, in Reisetaschen, Nase zuerst in den Schuhen meines Bruders ("Zeitung lesen", wie mein Vater es nannte), im Chianti-Karton mitsamt seiner schockiert dreinblickenden Schwester. Ich hätte so gerne noch einmal miterlebt, wie er angerannt kommt, wenn man ihn ruft, bei jedem Schritt leicht quäkend vor Freude, und mir dann seine Nase ins Gesicht rammt. Und ich will ihn noch einmal Schnurren hören. Dieses Schnurren, dass nur er konnte, das die gefühlte Lautstärke eines Rasenmähers hatte und einfach nichts anderes sagte als: "Mann, gehts mir gut."

Ans Paradies zu glauben ist mir ja eigentlich zu blöd. Aber trotzdem hoffe ich, dass mein hedonistischer Schönling irgendwo ist, wo er schlafen kann solange er will, sich danach den Bauch vollschlägt mit dem, wonach ihm gerade ist - und dann mit Gelbwurst! - und wo er seine Schwester ignorieren kann. Denn scheinbar hat er die doch ein bisschen gemocht. Und uns auch.

Und jetzt noch einen völlig Over-The-Top: Danke, kleines herzensgutes Katerchen, für 15 Jahre in deinem Bann!

Montag, 18. Januar 2010

Geldausgeben

Bezahlen verschafft mir Übelkeit. Bar, per Karte, egal. Geldausgeben ist für mich ab einer bestimmten Summe – je nach Tagesform 100 Euro oder 10 Euro – eine entsetzliche Qual. Natürlich weiß ich, dass dieses Ritual zum Leben dazu gehört. Zumindest meine linke Gehirnhälfte weiß davon. Die rechte erfreut sich derweil am wachsenden Kontostand und träumt von einem Geldspeicher á la Dagobert Duck, zum drin baden. Das schenkt mir die Illusion von Sicherheit. Dieser Fehler im System macht mir fast unmöglich, worauf sich andere freuen: das Möbelkaufen.

Aber die Zeiten, in denen sich ich mich studentisch gegen 13 Uhr von meiner Matratze auf nacktem Boden gerollt habe, sind einfach vorbei. Sagt mein Rücken. Ein Bett muss her. Und wenn wir schon dabei sind auch ein Schrank. Also ab in das freundliche schwedische Möbelhaus, in dem so schön geduzt wird und das praktischerweise in Sichtweite meines Arbeitsplatzes liegt. Tagsüber also Geld verdienen, um es abends schweren Herzens auszugeben. Nur so kann ich mich überhaupt von dreistelligen Summen trennen. Dachte ich.

In der Bettenabteilung ereilte mich der erste Schweißausbruch. Über 300 Euro für das einzige Bett, das es auch nur in die engere Auswahl geschafft hatte? Der Magen knurrte. Na gut, wer braucht schon eine neue Matratze? Lieber schnell weiter. Bei den Schränken stimmte ein merkwürdiges Gurgeln in das Geknurre ein. Aus der linken Gehirnhälfte orakelte es „SOS, aufgebrochenes Magengeschwür!“, als mich einer von den freundlichen Duzern im gelben Hemd ansprach: „Kann ich dir helfen?“ Fünf Minuten später war der Auftrag für Bett und Schrank gedruckt. Frei nach dem Motto „Augen zu und durch“ habe ich leider keine Ahnung, was genau man mir in wenigen Tagen liefern wird, ich weiß nur: Es wird teuer. Daran erinnert mich die Übelkeit. Aber es muss sein. Daran erinnert mich mein Rücken.

Und weil es gerade so schön und vor allem, weil es vorbei war, gönnte ich mir noch einen Bummel durch das Erdgeschoss. „Warum“, schoss es mir durch den Kopf, „eigentlich nicht noch diese schöne Lampe?“ Kostet ja im Vergleich zur eben erzielten Rechnung nix! „Warum nicht“ hätte mein Vater beantworten können: Weil das Kind nicht einmal als Zwerg in der Lage war, sich zu entscheiden, ob das Taschengeld in Schokolade oder Gummibärchen investiert werden soll – und deshalb sämtliche Beute an der Kasse in die Zigaretten donnerte.

Nur donnert sich so eine Lampe, die man schon ein paar Meter durchs Möbelhaus geschleppt hat, ganz schlecht zwischen die Batterien. Weshalb ich kurz vor der Kasse kehrt macht, peinlich berührt zurück schlurfte und das gute Stück wieder ins Regal stellte. Nicht unbemerkt von einem etwa vierzigjährigen Mann mit zwei gelbe Tüten über den Schultern, der mich hinter den vor der Brust aufgestapelten Kleinigkeiten erspähte. „Eine getroffene Entscheidung auch mal rückgängig machen, das finde ich gut!“ posaunte er in Richtung seiner Frau. „Ich aber nicht!“ wollte ich gerade brüllen, als seine Frau in Tränen ausbrach. Sie hatte sich wohl aufs Geldausgeben gefreut.