Mittwoch, 28. Juli 2010

ungenutzte Urlaubstage

Mein Leben ist nicht kaputt - sondern der Rahmen, der es hält. Ich bin nicht irre! Diese wundervolle Erkenntnis hat sich in meinem Kopf eingenistet und verlangt, niedergeschrieben zu werden. Und zwar ungeachtet der Tatsache, dass ich sie mit Anti-Mitesser-Streifen im ganzen Gesicht und zu den Klängen der Münchner Freiheit aufschreibe - sie ist tatsächlich trotzdem wahr!

Was der Plunder in meinem Gesicht und die Nasenaffen in meinen Ohren wollen? Es ist eben Urlaub, und ich habe einen ganzen Tag hinter mich zu bringen, der eigentlich mit nix gefüllt ist. Für gewöhnlich hasse ich das: müde vom gestrigen Tag, an dem ich um 14 Uhr in Stockholm in einen Zug gestiegen bin, um exakt um 24 Uhr in Erfurt aus einem zu klettern. Und es zwischendrin nicht mal geschafft habe, den Schriftzug "Royal Viking Hotel" zu fotografieren, weil ich schon zu schläfrig und faul war.

Morgen geht's dann auf nach Ibiza, wieder ein Tag in Autos, Zügen, Flugzeugen, Bussen... zwischendrin nur Zeit, um Wäsche zu waschen, die eh nicht mehr trocken wird, und den Seesack neu zu befüllen. Klingt nach Stress? Moment, da reibe ich mich mal kurz Wickie-mäßig an der bepflasterten Nase und sage: Nichts klingt weniger nach Stress als das!

Stress ist der ganze traurige Rest. Diese Erkenntnis verdanke ich einem einfach perfekten Kurztripp zur Märy nach Stockholm (DANKE DAFÜR!!). Mein kleiner, verspäteter Schwedenaufenthalt war traumhaft - aber glücklich wäre ich auch gewesen, hätte man mich doch das ganze Wochenende kurz vor Berlin im Zug hocken lassen wie ich auf der Hinfahrt befürchtete, als mal locker 50 Minuten lang gar nix ging und die Bahn es nicht für nötig befand, irgendjemandem einen Grund dafür zu nennen. Glücklich wäre ich natürlich auch an jedem Strand, auf jedem Berg, in jedem Wald und vielleicht sogar unter einigen Brücken dieser Welt gewesen - Hauptsache, sie haben nichts, aber auch nicht das geringste mit meiner Arbeit zu tun.

Fünf Tage haben gereicht, um mich wieder klarer sehen zu lassen und meinen Blick auf all das zu schärfen, was mich sonst einfach nur traurig macht und auslaugt: Ich liebe meinen Beruf - aber ich hasse meinen Job hier. Ich liebe meine Kollegenfreunde - aber ich hasse, wie wir gemeinsam in unserem Leid aufgehen statt über den Tellerrand zu blicken und uns an dem zu freuen, was sein wird, wenn wir das hier hinter uns lassen. Ich bin nicht irre - die Umstände geben mir nur manchmal das Gefühl. Aber nur ich kann die Umstände ändern. Und das werde ich, so schnell und so oft ich kann!

Bekloppte Urlauber-Philosophie? Mag sein. Aber ich hab mich schon lange nicht mehr so frei gefühlt wie jetzt, unter klebrigen Pickelpflastern und neben einer schlecht gepackten Tasche. Und das alleine ist es wert, hinausposaunt zu werden - selbst, wenn es keiner hört, für mich bleiben diese Zeilen immer ein Echo, das ich sicher schon bald brauchen werde. Bald, wenn ich eine neue Tasche, eine praktischere kaufen werde, um sie schlecht zu packen und hier rumzusitzen während ich darauf warte, zu gehen. Zu gehen, um meinen Rahmen gerade zu rücken. Da muss man echt auch mal pedantisch sein!

So gesehen ist also dieser Urlaubstag gar nicht ungenutzt - vielen Dank dafür an einen mir völlig unbekannten amerikanischen Touristen in Erfurt, der mich gezwungen hat, etwas zu tun, damit sich mein Wohlgefühl nicht gleich wieder verflüchtigt, und der mich so das Wohlgefühl nur noch klarer hat erkennen lassen. Klingt nach Zauberei, ist aber eigentlich nur, im wahrsten Sinne des Wortes, Blabla. Während ich an der Kasse im Supermarkt stand und er zu seiner Freundin sagte "I want you to buy some Stretch-Jeans like these" - und mit dem Kopf pseudo-heimlich in meine Richtung nickte - bescherte er mir die Eva-typische Gesicht-zur-Faust-geballt-Grimasse mit dem Zusatz "And i want you to wear them out like she does".

Jemand findet meine Jeans, die am Arsch aufgeplatzt ist und die keinen Platz für die fünf Kilo Kummerspeck zusätzlich hat abgenutzt? Das "Buhuhuhu"-Gefühl der letzten Monate war, lächerlich!, schon bis zu meinen Füßen geschlichen, um von dort aus hochzukrabbeln und sich spätestens im strömenden Regen auf dem Weg zum Auto oder heute Abend beim Grillen mit Kollegen wieder in mein Herz zu setzen und da die Wände schwarz zu streichen.

Aber ehrlich: Das einzige, was hier wirklich worn out ist, ist dieses Gefühl. Deshalb gilt ab heute: "I don't give half a fuck", um einen wunderschönen Satz aus dem Mund eines wunderschönen Schweden zu zitieren. Nicht zu der Frage, wie die Welt meine Hose findet - und ab sofort auch nicht mehr dazu, wie die Welt mein Leben findet. Ist schließlich meins. Nur meins! Und wenn das manchmal selbst mir nicht passt, ist das in erster Linie mein Problem - und Probleme kann man, ganz im Gegensatz zu permanenten Stimmungstiefs, lösen.

Sonntag, 4. Juli 2010

Zewa Softis auf dem Klo

Da lebt man mit drei Menschen zusammen, und trotzdem kauft nur einer Klopapier: ich! Oder eben auch nicht, wenn ich sogar das Bloggen für sechs Wochen vergesse (sorry!).

Wozu mein Unvermögen dann führt? Natürlich nicht zu spontanen Vier-Lagen-Lustkäufen bei meinen werten Mitbewohnern, sondern zu männlichem Abschütteln des Problems samt letztem Tropfen. Weshalb ich nach einem laaaangen Arbeitstag so gegen 22 Uhr erst komplett ohne alles auf dem Klo sitze und brülle ("SCHEISSE!!!"), um dann doch wieder einmal die Zewa Softis auf den Spülkasten zu legen.

Ich hasse das. Diese Geste ist das ultimative Eingeständnis des Scheiterns. Ja, mein Leben ist zu voll zum Einkaufen von Hygieneprodukten. Ja, ich wische mit teurem Geld ab. Ja, ich bin zu vergesslich um mir das bis zum nächsten Tag zu merken.

Irgendwann bin ich offenbar zum Zewa-Softi mutiert und schlaffe ab, wo mein Leben von mir ein wenig Biss verlangt. Kofferraum kaputt? Oooch, Einkäufe und Koffer kann man doch auch monatelang auf der Rückbank spazieren fahren (rächt sich erst, wenn man sein eigenes Fahrrad einladen muss und das nicht durch die Tür passt). Zahnschmerzen seit Wochen? Lieber Ausschlafen als zum Arzt gehen (rächt sich mit der Röntgenaufnahme des eigenen Gebisses, Hometown of Carius & Baktus, die einen vielleicht nie wieder ruhig schlafen lassen wird.) Bewerbungen? Joooa, ich schreib mir ne Handynotiz. Was vernünftiges Essen? Hab doch die Nummer vom Pizzaservice. Wenigstens Urlaub planen? Is' so heiß gerade...

Das war alles auszuhalten. Aber jetzt verhöhnen mich die Zewa Softis bei jedem Toilettenbesuch, und ich habe eine sehr schwache Blase. "Du bist faul" klugscheißt es hinter mir vom Wasserkasten. Wäre heute nicht Sonntag, ich würde sofort die nächste Drogerie stürmen.

Vielleicht. Is' ja, wie gesagt, so heiß... ;)